REALISTISCH UND SELBSTBEWUSST AUF DIE GEHALTSVERHANDLUNG VORBEREITEN
- Jessica von Gehalt Offensive

- 24. Nov.
- 6 Min. Lesezeit
Eine Gehaltsverhandlung gut vorzubereiten klingt logisch – aber kaum jemand macht es wirklich. Gerade Frauen neigen dazu, sich im Vorfeld kleinzureden oder „spontan“ ins Gespräch zu gehen. In der Hoffnung, dass gute Leistung automatisch gesehen und belohnt wird. Doch genau das ist der häufigste Stolperstein.
Jessica Kreuzer, ehemalige Profifußballerin, systemische Coachin und Gründerin von Gehalt Offensive, kennt diese Dynamik aus eigener Erfahrung – sowohl aus ihrer Zeit in der Führungsebene als auch aus zahlreichen Gehaltscoachings mit Frauen.
Ihr Ansatz: Selbstbewusstsein ist kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis einer klugen Vorbereitung. Im Gespräch mit SHE works! erklärt sie, wie du deinen Marktwert realistisch einschätzt, mit klaren Zielen in die Verhandlung gehst und warum gute Vorbereitung die beste Versicherung gegen Nervosität ist.
JESSICA, VIELE FRAUEN SPÜREN IRGENDWANN: MEIN GEHALT PASST NICHT MEHR ZU MEINER LEISTUNG. ABER WO FÄNGT MAN ÜBERHAUPT AN, WENN MAN SICH AUF EINE GEHALTSVERHANDLUNG VORBEREITEN WILL?
Der erste Schritt ist tatsächlich, dir selbst ehrlich einzugestehen: „Ich bin mehr wert, als ich gerade verdiene.“ Das klingt banal, ist aber ein Schlüsselmoment. Viele Frauen spüren innerlich, dass ihr aktuelles Gehalt nicht mehr im Verhältnis zu ihrer Leistung steht, trauen sich aber nicht, diesen Gedanken auszusprechen. Oder sie fragen sich: „Wie viel mehr ist überhaupt realistisch?“ Genau hier beginnt gute Vorbereitung – mit Recherche und Fakten statt Bauchgefühl.
Ich empfehle, dir vier zentrale Kriterien anzuschauen: den Marktwert, die interne Gehaltsstruktur, die eigene Leistung und die Bedeutung deiner Position im Unternehmen. Diese vier Punkte geben dir ein realistisches und starkes Fundament für deine Gehaltsforderung.
VIELE WISSEN GAR NICHT, WO SIE IHREN MARKTWERT ÜBERHAUPT RECHERCHIEREN KÖNNEN. WIE GEHST DU DABEI GENAU VOR?
Ich rate meinen Klientinnen immer: Recherchiere auf mehreren Ebenen. Nutze Online-Gehaltsplattformen, KI-Tools oder den kostenlosen Gehaltscheck auf meiner Website als ersten Anhaltspunkt. Aber: Verlass dich nie nur auf Zahlen aus dem Internet. Sie zeigen Durchschnittswerte und keine individuellen Spielräume. Viele dieser Daten basieren zudem auf historischen Werten – und spiegeln deshalb oftmals den Gender Pay Gap wider.
Ein ganz pragmatischer Trick: Gib bei der Recherche den männlichen Jobtitel ein, z. B. „Teamleiter Controlling“ statt „Teamleiterin Controlling“. So erhältst du realistischere Werte.
Noch wichtiger als jede Plattform ist dein Netzwerk. Frag Ex-Kolleginnen oder Bekannte auf ähnlichen Positionen, wie sie bezahlt werden. Ich weiß, das kostet Überwindung. Aber ehrliche Gespräche liefern oft genau die Informationen, die du online nie findest. Und wenn du offen teilst, was du selbst weißt, entsteht ein ehrlicher Austausch statt Konkurrenzdenken.
IST ES AUCH WICHTIG FÜR EINE GEHALTSVERHANDLUNG, DIE INTERNEN GEHALTSSTRUKTUREN ZU KENNEN?
Enorm wichtig. Unternehmen achten stark auf interne Gerechtigkeit. Liegt dein Gehalt deutlich unter dem Durchschnitt der eigenen Gehaltsgruppe, ist das ein starkes Argument für eine Anpassung.
Viele meiner Coachees glauben, sie dürften nicht über Gehälter sprechen, weil es in ihren Verträgen eine Verschwiegenheitsklausel gibt. Aber das ist ein Irrtum. Solche Klauseln sind rechtlich unwirksam – das hat das Landesarbeitsgericht 2009 klargestellt. Du darfst also über dein Gehalt sprechen und andere danach fragen.
Ich erinnere mich an eine Klientin, die dachte, sie sei gut bezahlt, bis sie von einem Kollegen erfuhr, dass dieser mit identischer Verantwortung fast 700 Euro mehr im Monat bekam. Das hat bei ihr einen Schalter umgelegt. Information schafft Bewusstsein – und Bewusstsein ist die Basis, um selbstbewusst zu verhandeln.
VIELE FRAUEN HABEN DAS GEFÜHL, IHRE LEISTUNG SPRICHT DOCH FÜR SICH. WAS SAGST DU DAZU?
Das höre ich ständig – und es ist einer der größten Denkfehler. Viele Führungskräfte haben einfach zu viel um die Ohren. Du bist selbst dafür verantwortlich, deine Erfolge sichtbar zu machen. Ein bisschen Selbstmarketing gehört dazu.
Darum rate ich allen Frauen, ein Erfolgsprotokoll zu führen. Das ist eine einfache, aber unglaublich wirkungsvolle Methode: Schreib regelmäßig deine konkreten Ergebnisse, Projekte und messbaren Beiträge zum Unternehmenserfolg auf. Zum Beispiel:
„Kundenbindungsrate um 12 % gesteigert“
„Prozessoptimierung, die monatlich 8 Stunden einspart“
„Neue Kolleginnen eingearbeitet“
Dieses Protokoll ist Gold wert. Es stärkt dein Selbstbewusstsein – und im Gespräch kannst du sachlich belegen, welchen Mehrwert du bringst.
Ich selbst habe das viele Jahre nicht gemacht. Ich dachte: „Meine Führungskraft sieht doch, was ich leiste.“ Erst als ich begann, meine Erfolge zu dokumentieren, habe ich gemerkt, wie viel ich tatsächlich beitrage. Das hat meine Verhandlungsbasis komplett verändert.
VIELE FRAUEN TUN SICH SCHWER, IHRE EIGENE ROLLE ALS „WICHTIG“ ZU SEHEN. WIE KANN MAN DAS REALISTISCHER EINSCHÄTZEN?
Das stimmt. Bescheidenheit ist bei Frauen oft kulturell verankert. Aber in der Vorbereitung auf eine Gehaltsverhandlung darfst du sachlich-analytisch auf deinen Wert schauen. Frag dich zum Beispiel:
Verfüge ich über spitzes Wissen, das nicht leicht ersetzbar ist?
Habe ich Kundenbeziehungen, die für das Unternehmen kritisch sind?
Bin ich vielleicht die Person, die neue Projekte mit Leidenschaft und Energie erfolgreich umgesetzt hat?
Wenn du solche Fragen bejahst, bist du in einer Schlüsselposition. Und Schlüsselpositionen sind für Unternehmen teuer zu ersetzen – das erhöht automatisch deine Verhandlungsmacht.
DU SPRICHST OFT DAVON, SICH EIN „CHAMPAGNERZIEL“ ZU SETZEN. WAS GENAU MEINST DU DAMIT?
Das ist mein Lieblingsschritt in der Vorbereitung. Viele starten in Verhandlungen mit einem vagen Gefühl: „Ich will mehr verdienen.“ Das ist zu wenig. Du brauchst drei klare Zahlen: dein Minimalziel, dein Champagnerziel und deinen Verhandlungsanker.
Minimalziel: Der Betrag, den du auf keinen Fall unterschreiten willst – dein persönlicher „Walk-away-Punkt“. Schreib ihn dir unbedingt auf, sonst verhandelst du in Gedanken mit dir selbst runter.
Champagnerziel: Dein Wunschbetrag – das Gehalt, bei dem du die Korken knallen lassen würdest. Es motiviert dich und gibt Richtung.
Verhandlungsanker: Die Zahl, mit der du ins Gespräch gehst. Sie liegt leicht über deinem Champagnerziel, damit du Spielraum hast.
Psychologisch betrachtet ist der erste genannte Betrag in einer Verhandlung extrem mächtig. Er dient als Referenzpunkt, an dem sich alles orientiert. Wenn dein Gegenüber kurz überrascht oder irritiert schaut, hast du den Anker richtig gesetzt.
DAS EINE IST ZU WISSEN, WAS ICH RATIONAL FORDERN SOLLTE, ABER SICH ZU TRAUEN DIES AUSZUSPRECHEN IST FÜR VIELE EINE HÜRDE. WAS HILFT?
Ganz ehrlich: Üben, üben, üben. Ich lasse meine Klientinnen ihre Forderung laut aussprechen – überall, wo es geht: vor dem Spiegel, an der Supermarktkasse, im Auto oder im Coaching. Zum Beispiel: „Ich stelle mir eine Gehaltsanpassung auf jährlich 81.300 Euro ab dem 1. August vor.“
Am Anfang klingt das unbehaglich, manchmal fast frech, aber mit jedem Mal wird es natürlicher. Ich weiß aus eigener Erfahrung: Wenn du es vorher nicht laut sagst, wirst du im Gespräch leiser, unsicherer und das senkt dein Ergebnis.
Der Körper lernt über Wiederholung. Wenn du deinen Satz hundertmal sprichst, wird er zu deiner Wahrheit und dein Gegenüber spürt deine innere Sicherheit.
VIELE DENKEN BEI GEHALTSVERHANDLUNGEN NUR AN DAS MONATLICHE FIXGEHALT. WARUM RÄTST DU, WEITER ZU DENKEN?
Weil dein Gesamtpaket aus viel mehr besteht als deiner Überweisung am Monatsende. Budgets für das Grundgehalt sind oft eng, aber andere Spielräume existieren – etwa Boni, Homeoffice-Tage oder Weiterbildungen.
Ich erinnere mich an eine Klientin, die 8.540 Euro mehr pro Jahr wollte. Ihr Chef blockte sofort mit dem Satz: „Dafür ist kein Budget da.“ Wir hatten vorher fünf Alternativen vorbereitet – Weiterbildung, Jobticket, Hospitation im Ausland etc. Am Ende hat sie 5.700 Euro mehr Fixgehalt plus zwei Benefits durchgesetzt. In Summe war das Paket sogar wertvoller als ihr ursprüngliches Ziel.
Deshalb: Definiere schon in der Vorbereitung, welche Zusatzleistungen für dich interessant sind. Ich unterteile sie gern in vier Kategorien:
Monetär: Boni, Fahrtkostenzuschüsse, Altersvorsorge, vermögenswirksame Leistungen
Karriere: Weiterbildung, Jobtitel, Konferenzen, Mentoring
Work-Life-Balance: Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, Zusatzurlaub
Sachleistungen: Jobrad, Technikzuschüsse, Essenszuschüsse
Wenn dein Gehaltswunsch abgelehnt wird, gehe langsam bei der Gehaltsforderung runter und bringe deine Alternativen nacheinander ins Gespräch. So wirkst du flexibel, aber nicht nachgiebig.
APROPOS FLEXIBEL SEIN. WAS, WENN IN EINER GEHALTSVERHANDLUNG PLÖTZLICH EIN GEGENARGUMENT KOMMT. WIE KANN MAN SICH AUCH EMOTIONAL AUF SOLCHE SITUATIONEN EINSTELLEN?
Das ist ein entscheidender Punkt. Rechne mit Einwänden, bevor sie kommen. Denn was uns in der Verhandlung oft aus dem Konzept bringt, ist nicht das Argument selbst, sondern die Überraschung. Wenn du innerlich vorbereitet bist, bleibst du ruhig und souverän.
Ein einfacher Trick: Schreib dir drei bis fünf mögliche Gegenargumente auf, zum Beispiel: „Das Budget ist knapp“, „Das ist nicht üblich“ oder „HR macht da nicht mit“. Überlege dir zu jedem eine empathische, aber klare Antwort, die zeigt, dass du die Position deines Gegenübers verstehst, ohne von deinem Ziel abzurücken.
Das Ziel ist nicht, jedes Gegenargument zu „besiegen“, sondern ruhig zu bleiben, Verständnis zu zeigen und den Lösungsraum wieder aufzumachen. Zum Beispiel:
„Ich verstehe, dass das Budget aktuell eng ist. Gleichzeitig möchte ich gemeinsam überlegen, wie wir mein Gehalt an meinen Wert für das Unternehmen anpassen können. Welche Möglichkeiten siehst du, das umzusetzen?“
So bleibst du sachlich, respektvoll und lenkst das Gespräch konstruktiv zurück auf deine Forderung, statt in Rechtfertigungen oder Unsicherheiten zu geraten.
WAS IST DEIN WICHTIGSTER RAT AN FRAUEN, BEVOR SIE IN EINE GEHALTSVERHANDLUNG GEHEN?
Nimm die Vorbereitung mindestens so ernst wie ein wichtiges Projekt im Job. Schreib deine Zahlen auf, geh mit einer klaren Strategie rein und übe das Verhandlungsgespräch mindestens dreimal. Je mehr Simulationen du machst, desto weniger Raum haben Zweifel und Nervosität.
Und ganz wichtig: Verstehe, dass du deinem Gegenüber mit deiner Vorbereitung hilfst. Du machst es deiner Führungskraft leichter, dich angemessen zu bezahlen, weil du Fakten, Argumente und Lösungen mitbringst.
Ich sage immer: Souveränität entsteht nicht im Gespräch, sondern davor. Wenn du deine Hausaufgaben machst, verhandelst du nicht aus Unsicherheit, sondern aus Klarheit – und das spüren alle Beteiligten. Gehaltsverhandlung vorbereiten ist Key. :)
👉 Brauchst du Unterstützung, um die richtigen Strategien für deine Gehaltsverhandlung zu entwickeln? Dann melde dich bei mir.
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